Die Wohn- und Freiraumsituation in Freiburg, wie bundesweit, ist dramatisch. Pünktlich zu Semesterbeginn wird der Freiburger Wohnungsmarkt, wie jedes Jahr, völlig überrannt. Erstsemesterstudierende sind verzweifelt auf der Suche nach einem Dach über dem Kopf. Auch wir schließen uns dem Aufruf des Recht auf Stadt – Netzwerks und der geschätzen Kommiliton_innen des U-AStA an.
Aufruf des U-AStA der Uni Freiburg:
Anstatt sich auf den Semesterstart einlassen zu können, rennen viele Erstis von WG-Casting zu WG-Casting, von Wohnungsbesichtigung zu Wohnungsbesichtigung. Viele werden trotz größtem Engagement auch dieses Jahr wieder ohne festen Wohnsitz zu Semesterbeginn dastehen und in überfüllten Notunterkünften oder überteuerten Hostels schlafen müssen. Diejenigen, die eines der heiß begehrten Zimmer ergattern konnten, müssen meist viel zu hohe Mieten zahlen. Das können sich Studierende ohne einen oder gar mehrere Nebenjobs oft nicht mehr leisten. Sie sind auf finanzielle Unterstützung von Seiten der Familie, Freund*innen und des Staats angewiesen.
Das Studentenwerk versucht diesem Missstand entgegenzuwirken, indem sie weitere Wohnheime für Studierende plant. Doch die Stadt verkauft die Grundstücke beispielsweise im Gebiet Gutleutmatten lieber an private Investor*innen als bezahlbare Wohnungen für Studierende zu schaffen.
Doch nicht nur Studierende leiden unter der fatalen Wohnraumsituation in Freiburg. Gerade Menschen aus wirtschaftlich benachteiligten Millieus oder mit familiären Verpflichtungen, wie alleinerziehende Eltern, werden an den Rand der Stadt verdrängt.
Anstatt dass diesen verheerenden Entwicklungen entgegen gewirkt und eine Stadt für alle geschaffen wird, wird bezahlbarer Wohnraum durch Luxussanierungen und Abriss von sozialem Wohnungsbau weiter dezimiert. Dazu fallen bis 2016 über 400 Wohnungen aus der Sozialbindung und werden nun ebenfalls den Prinzipien der freien Marktwirtschaft unterworfen.
Diese sozial-unverträgliche Entwicklung wird nicht nur von privaten Immobilien- und Baufirmen, sondern auch von der Freiburger Stadtbau, die eigentlich ein anderes Ziel verfolgen sollte, vehement vorangetrieben. Gleichzeitig stehen viele Häuser, die potenziell als Wohnraum genutzt werden können, lange Zeit leer, bevor sie saniert oder abgerissen werden.
Doch nicht nur bezahlbarer Wohnraum ist ein knappes Gut in Freiburg. Auch selbstverwaltete Freiräume wie das KuCa (Kultur Cafe) an der PH Freiburg sind bedroht. So soll das KuCa in den nächsten Jahren abgerissen werden und gewinnbringenderen Projekten weichen. An der Uni fehlen selbstverwaltete Freiräume bislang komplett. Der u-asta setzt sich für den Erhalt des KuCas und die Einrichtung eines vergleichbaren selbstverwalteten Freiraums an der Uni Freiburg ein.
Auch alternative Wohnformen wie das Leben in Wägen wird von Seiten der Stadt und dem Ordnungsamt nicht geduldet. So wurde das Kultur- und Kunst-Wagenkollektiv Kommando Rhino im August 2011 geräumt. Zahlreiche Wägler*innen stehen bis heute ohne einen geeigneten Wagenplatz da. So beispielsweise die Wagengruppe „Sand im Getriebe“, die unter einer ständigen Verdrängungspolitik und Repressionen von Seiten der Stadt und der Polizei zu leiden hat. Im Moment kommen sie auf einem Parkplatz an der PH Littenweiler unter, doch auch das ist wahrscheinlich nur wieder eine Übergangslösung, bis sie auch von dort wieder vertrieben werden.
Gegen all diese Missstände in Freiburg, aber auch bundesweit, regt sich Widerstand. Vom 19. bis 22. September ruft die Wagengruppe „Sand im Getriebe“ zu den Action-Days für einen neuen Wagenplatz auf. Am 21. September wird es eine Freiraumdemo geben. Treffpunkt hierfür ist um 16 Uhr am Siegesdenkmal. Außerdem findet am 28. September eine überregionale Wohnraumdemo unter dem Motto „Die Stadt gehört allen – Keine Profite mit der Miete“ statt. Treffpunkt hierfür ist um 13 Uhr auf dem Stühlinger Kirchplatz.
Lasst uns gemeinsam diesen September für bezahlbaren Wohnraum, selbstverwaltete Freiräume, Wagenplätze – eine Stadt für alle – auf die Straße gehen!
Im folgenden dokumentieren wir den ausführlichen Aufruf des Recht auf Stadt – Netzwerks:
Wohnen in Freiburg können sich Viele kaum oder gar nicht leisten. Gerade dort, wo Menschen bisher weniger teure Wohnungen nutzen konnten, steigen die Preise. So war Haslach im vergangenen Jahr einer der Stadtteile mit der höchsten Mietsteigerung, in Weingarten lassen energetische Sanierungen, durchgesetzt gegen den ausdrücklichen Willen der MieterInnen, die Preise in den Wohnblocks der Stadtbau in die Höhe schießen, der Mietspiegel treibt die Spirale weiter nach oben.
Bei der Stadtbau fallen bis 2016 407 Wohnungen aus der Sozialbindung, sie werden dann zum „freien Marktpreis“ angeboten. Gleichzeitig erwirtschaften die FSB-MieterInnen mit ihren Mieten einen Überschuss, der städtische Haushaltslöcher stopft und Prestigeobjekte wie das Kunstdepot und das Green City Hotel finanziert. Das Schaffen von bezahlbaren Wohnraum würde wohl zu wenig Profit abwerfen.
Auch die Wohnungsgenossenschaften, die bisher als Anbieter von günstigerem Wohnraum galten, werden diesem Ruf längst nicht mehr gerecht: Nahe der Uniklinik stehen schon ganze Häuserblöcke mit Wohnungen ab 3-4 €/m², teilweise frisch renoviert, zum Abriss leer. Die BauvereinsgenossInnen werden verdrängt, um Platz für teurer Apartements zu schaffen. Stadtbau, Wohnungsgenossenschaften, Sauer, Unmüssig & Co. erhöhen die Mieten regelmäßig um bis zu 20 %.
Keine Wahl
Nicht besser sieht es auf Bundesebene aus. Im Wahlkampf entdecken die Parteien die Wohnungsnot, die sie zuvor jahrelang ignoriert und gefördert haben, u.a. durch die Privatisierung von Sozialwohnungen. Doch auch hier geht es um die Ankurbelung des Baugeschäfts und um die Gestaltung der Mieterhöhungen – die Preissteigerung selbst wird von der Politik nicht in Frage gestellt. Die unbequemen Fragen werden nicht gestellt, die am Grund der Mietmisere liegen: Warum verdienen viele Menschen so wenig, dass sie selbst für geförderten Wohnraum ihr halbes Einkommen ausgeben müssen? Warum arbeiten sie in zwei oder drei Jobs, um sich das überhaupt leisten zu können? Warum gibt es überhaupt „arme“ und „reiche Viertel“? Profite werden mit der Miete gemacht – wie auch sonst überall in einer kapitalistischen Gesellschaft, die die Schere zwischen Arm und Reich immer größer werden lässt.
Nötig ist es statt dessen, die Mietpreissteigerungen zu stoppen oder, noch besser, die Mieten zu senken. Nötig ist es, Wohnungen dem Markt zu entziehen, um Wohnen für Alle bedingungslos zu ermöglichen. Es muss Schluss sein mit der Stadtplanung über die Köpfe der BewohnerInnen hinweg. Was nützen MieterInnenbeiräte wie bei der Stadtbau, wenn sie sich nicht kritisch äußern dürfen? Welche Stadt entsteht durch ein Innenstadtkonzept wie für den Rotteckring, das sozial Marginalisierte aus dem Zentrum vertreibt und die Kostenkalkulation schon dieses Jahr übersteigt?
Bauen, Bauen, …
Die Stadtverwaltung erklärt den Neubau als Allheilmittel zur Lösung der Wohnungsfrage. Vauban und Rieselfeld beweisen jedoch, dass neue Stadtteile keine Antwort auf die Verdrängung einkommensschwacher Menschen aus der Stadt sind. Wohnungen mit dauerhafter Sozialbindung wird es im neuen Baugebiet Gutleutmatten wohl wieder nicht geben. Das Studentenwerk bekam schon das Signal, dass ein geplantes Studierendenwohnheim kein Platz haben wird. Da können Salomon un Co. zu Semesterbeginn noch so viel von Plakaten grinsen, Studierende mit wenig Geld finden kaum Wohnraum. Eine Zwischennutzung der Fläche bis zum Baubeginn, durch einen Wagenplatz, wurde durch das Ordnungsamt, wie in vielen Anderen Fällen auch, verhindert. Flächen für experimentelles Wohnen, wo WäglerInnen ihre Versorgung selbst in die Hand nehmen könnten, werden nicht ausgewiesen.
Raus aus dem Markt!
Dabei gibt es schon heute funktionierende Beispiele dafür, wie Menschen sich für ihr Recht auf Wohnen und auf Stadt erfolgreich einsetzen. In Berlin protestieren regelmäßig Menschen gegen Zwangsräumungen – in Spanien gelang es immer wieder, die Räumungen sogar zu verhindern. Dieses Jahr wurde eine Gesetzesänderung erkämpft, die das Recht auf Wohnen stärkt. In Freiburg entstanden, hat sich das Mietshäusersyndikat mit Projekten im ganzen Bundesgebiet ausgebreitet und seine Idee ist international gefragt. Die Syndikatshäuser werden dauerhaft dem Markt entzogen, die BewohnerInnen gestalten sie selbst und entscheiden selbst über die Miethöhe.
Aufkaufen allerdings lässt sich der Kapitalismus nicht, wir müssen uns dagegen jenseits von Staat und Markt selbst organisieren.
Kommen wir zusammen, um zu zeigen, wie viele Menschen mit der Wohnungspolitik unzufrieden sind! Kommen wir zusammen, um Ideen zu sammeln, was wir selbst tun können – unabhängig von PolitikerInnen und Wahlkampf-Konjunkturen! In Freiburg, Düsseldorf, Frankfurt, Berlin, Hamburg!
Wir machen keinen Wahlkampf! Wir fordern unser Recht auf Stadt!
Kommt alle zur Demonstration „Die Stadt gehört Allen! Keine Profite mit der .Miete!“ am Samstag nach der Bundestagswahl, dem 28. September 2013.
MieterInnen müssen ihre Stimme erheben – statt abgeben!